Wenn wir uns den Schulerfolg junger Menschen mit Autismus anschauen, sehen wir viele unterschiedliche Ergebnisse. Einige der Jugendlichen schneiden genauso gut wie erwartet ab oder sogar besser, wenn man ihren IQ berücksichtigt. Andere hingegen schneiden schlechter ab als erwartet. Die unterschiedlichen Ergebnisse lassen sich durch äußere Faktoren erklären, wie das Wohlbefinden der Schüler in der Klasse, oder durch innere Faktoren, wie die Motivation der Schüler. Ein weiterer interner Faktor ist die emotionale Fähigkeit einer Person, also die Fähigkeit, die eigenen Emotionen und die Emotionen anderer verstehen und regulieren zu können. Dies ist im schulischen Kontext besonders wichtig, da emotionale Fähigkeiten den Kindern helfen, sich besser auf die vor ihnen liegenden Aufgaben zu konzentrieren. Außerdem helfen sie Heranwachsenden, Freundschaften mit anderen Gleichaltrigen zu schließen und in schwierigen Situationen positiv zu bleiben. Viele autistische Kinder und Jugendliche haben Schwierigkeiten, die Emotionen anderer Menschen zu erkennen und zu verstehen. Das hängt mit Alexithymie zusammen, einem Persönlichkeitsmerkmal, welches es einer Person erschwert, Emotionen bei sich selbst und bei anderen wahrzunehmen, zu beschreiben und zu verstehen. Alexithymie tritt in der Regel bei Menschen mit Autismus häufiger auf als bei neurotypischen Menschen.
Die bisherige Forschung mit neurotypischen Schülern zeigt, dass emotionale Fähigkeiten eine wichtige Rolle dabei spielen, wie gut ein Schüler in der Schule abschneidet. Forscher glauben, dass emotionale Fähigkeiten die Fähigkeit einer Person zu denken und zu lernen beeinflussen, was wiederum den Erfolg in der Schule beeinflusst. Beispielsweise kann die emotionale Fähigkeit einer Person bestimmen, wie sie Probleme in einer stressigen Situation in der Schule löst. Eine gute emotionale Fähigkeit kann es der Person ermöglichen, ruhig und besonnen zu bleiben und eine passende Lösung zu finden. Die emotionale Fähigkeit steht auch im engem Zusammenhang mit der sozialen Kompetenz einer Person und ihrer Fähigkeit, mit anderen Menschen umzugehen. Eine gute Beziehung zu den Mitschülern ist in der Schule besonders wichtig.
In Anbetracht der wichtigen Rolle, die die emotionalen Fähigkeiten bei schulischen Leistungen spielen, könnten wir erwarten, dass die Schwierigkeiten autistischer Jugendlicher in verschiedenen Bereichen der emotionalen Fähigkeiten einen Teil ihrer schulischen Schwierigkeiten erklären könnten. Ein solcher Zusammenhang ist jedoch bei autistischen Jugendlichen bisher noch nicht untersucht worden. Mit unserer Studie wollen wir analysieren, welcher Zusammenhang zwischen emotionalen Fähigkeiten und schulischen Leistungen bei Jugendlichen mit und ohne Autismus besteht. Auf der Grundlage der vorhandenen Literatur erwarten wir, dass autistische Jugendliche mehr emotionale Schwierigkeiten haben als neurotypische Jugendliche. Außerdem erwarten wir, dass Jugendliche, die mehr emotionale Schwierigkeiten haben, schlechtere schulische Leistungen erbringen als Jugendliche mit weniger emotionalen Schwierigkeiten.