SCHULERFOLG VON JUGENDLICHEN MIT AUTISMUS

Der Einfluss emotionaler Fähigkeiten auf die schulischen Leistungen von Jugendlichen mit und ohne Autismus

Diese Studie ist entstanden, um besser verstehen zu können, ob emotionale Fähigkeiten, wie die Fähigkeit, die eigenen Emotionen zu kontrollieren oder zu verstehen, ein erfolgreicher Prädiktor für die schulischen Leistungen von Jugendlichen mit und ohne Autismus sind.

Die Studie ist eine Bachelorarbeit der Studentin Lisa Morais Dos Reis der Universität Luxemburg, die von Dr. Andreia Costa und M.Sc. Maïte Franco vom Institut für Gesundheit und Verhalten der Abteilung für Verhaltens- und Kognitionswissenschaften betreut wurde.

WARUM SIND EMOTIONALE FÄHIGKEITEN ÜBERHAUPT PRÄDIKTOR FÜR SCHULISCHE LEISTUNGEN?

Wenn wir uns den Schulerfolg junger Menschen mit Autismus anschauen, sehen wir viele unterschiedliche Ergebnisse. Einige der Jugendlichen schneiden genauso gut wie erwartet ab oder sogar besser, wenn man ihren IQ berücksichtigt. Andere hingegen schneiden schlechter ab als erwartet. Die unterschiedlichen Ergebnisse lassen sich durch äußere Faktoren erklären, wie das Wohlbefinden der Schüler in der Klasse, oder durch innere Faktoren, wie die Motivation der Schüler. Ein weiterer interner Faktor ist die emotionale Fähigkeit einer Person, also die Fähigkeit, die eigenen Emotionen und die Emotionen anderer verstehen und regulieren zu können. Dies ist im schulischen Kontext besonders wichtig, da emotionale Fähigkeiten den Kindern helfen, sich besser auf die vor ihnen liegenden Aufgaben zu konzentrieren. Außerdem helfen sie Heranwachsenden, Freundschaften mit anderen Gleichaltrigen zu schließen und in schwierigen Situationen positiv zu bleiben. Viele autistische Kinder und Jugendliche haben Schwierigkeiten, die Emotionen anderer Menschen zu erkennen und zu verstehen. Das hängt mit Alexithymie zusammen, einem Persönlichkeitsmerkmal, welches es einer Person erschwert, Emotionen bei sich selbst und bei anderen wahrzunehmen, zu beschreiben und zu verstehen. Alexithymie tritt in der Regel bei Menschen mit Autismus häufiger auf als bei neurotypischen Menschen.

Die bisherige Forschung mit neurotypischen Schülern zeigt, dass emotionale Fähigkeiten eine wichtige Rolle dabei spielen, wie gut ein Schüler in der Schule abschneidet. Forscher glauben, dass emotionale Fähigkeiten die Fähigkeit einer Person zu denken und zu lernen beeinflussen, was wiederum den Erfolg in der Schule beeinflusst. Beispielsweise kann die emotionale Fähigkeit einer Person bestimmen, wie sie Probleme in einer stressigen Situation in der Schule löst. Eine gute emotionale Fähigkeit kann es der Person ermöglichen, ruhig und besonnen zu bleiben und eine passende Lösung zu finden. Die emotionale Fähigkeit steht auch im engem Zusammenhang mit der sozialen Kompetenz einer Person und ihrer Fähigkeit, mit anderen Menschen umzugehen. Eine gute Beziehung zu den Mitschülern ist in der Schule besonders wichtig.

In Anbetracht der wichtigen Rolle, die die emotionalen Fähigkeiten bei schulischen Leistungen spielen, könnten wir erwarten, dass die Schwierigkeiten autistischer Jugendlicher in verschiedenen Bereichen der emotionalen Fähigkeiten einen Teil ihrer schulischen Schwierigkeiten erklären könnten. Ein solcher Zusammenhang ist jedoch bei autistischen Jugendlichen bisher noch nicht untersucht worden. Mit unserer Studie wollen wir analysieren, welcher Zusammenhang zwischen emotionalen Fähigkeiten und schulischen Leistungen bei Jugendlichen mit und ohne Autismus besteht. Auf der Grundlage der vorhandenen Literatur erwarten wir, dass autistische Jugendliche mehr emotionale Schwierigkeiten haben als neurotypische Jugendliche. Außerdem erwarten wir, dass Jugendliche, die mehr emotionale Schwierigkeiten haben, schlechtere schulische Leistungen erbringen als Jugendliche mit weniger emotionalen Schwierigkeiten.

DIE STUDIE

Es wurde eine Online-Studie durchgeführt, in der 39 Eltern über ihre Kinder berichteten. 29 Eltern waren Eltern eines autistischen Jugendlichen und 10 Eltern eines Jugendlichen ohne psychologische Diagnose. Bei den Jugendlichen handelte es sich um 25 Jungen und 14 Mädchen im Alter von zehn bis 19 Jahren. Die Jugendlichen besuchten eine weiterführende Schule entweder in Deutschland, Luxemburg, Österreich oder in der Schweiz. Im Fragebogen wurden demografische Angaben zu den Jugendlichen erfragt, wie z. B. ihre Nationalität, ihr Alter, der Beruf ihrer Eltern sowie ihre schulischen Leistungen und emotionalen Fähigkeiten. Außerdem haben wir nach autistischen Merkmalen, Emotionsregulationsschwierigkeiten und Alexithymie bei Jugendlichen gefragt.

ERGEBNISSE

Wie erwartet haben wir festgestellt, dass autistische Jugendliche mehr Schwierigkeiten bei der Emotionsregulierung und bei der Wahrnehmung von Emotionen (Alexithymie) hatten, als Jugendliche ohne Autismus. Was die schulischen Leistungen angeht, schnitten autistische Jugendliche genauso gut ab wie nicht-autistische Jugendliche. Allerdings hatten Jugendliche mit mehr Alexithymie schlechtere schulische Ergebnisse als Jugendliche mit weniger Alexithymie.

SCHLUSSFOLGERUNGEN

Wie erwartet haben wir festgestellt, dass autistische Jugendliche mehr Schwierigkeiten bei der Emotionsregulierung und bei der Wahrnehmung von Emotionen (Alexithymie) hatten, als Jugendliche ohne Autismus. Was die schulischen Leistungen angeht, schnitten autistische Jugendliche genauso gut ab wie nicht-autistische Jugendliche. Allerdings hatten Jugendliche mit mehr Alexithymie schlechtere schulische Ergebnisse als Jugendliche mit weniger Alexithymie.

Da das eine der ersten Studien ist, die untersucht, wie emotionale Fähigkeiten mit dem Schulerfolg autistischer Jugendlicher zusammenhängen, müssen in der Zukunft noch weitere Studien durchgeführt werden, um unsere bisherigen Ergebnisse zu bestätigen. Unsere Ergebnisse deuten allerdings darauf hin, dass die Verbesserung des emotionalen Bewusstseins bei autistischen Kindern zu einer allgemeinen Verbesserung des emotionalen Wohlbefindens führen könnte. Ein generell besseres Wohlbefinden könnte dann zu einer  Verbesserung des Schulerfolgs führen.

KONTAKT

Für mehr Informationen über diese Studie, kontaktieren Sie uns unter autisme@uni.lu.