WOHLBEFINDEN UND STRESS ELTERN

Einflussfaktoren auf Wohlbefinden und Stress bei Eltern autistischer Kinder

Eltern von autistischen Kindern haben mehr Probleme mit Stress und Wohlbefinden als Eltern von neurotypischen Kindern. Allerdings weisen nicht alle Eltern diese Probleme auf. Die Unterschiede können auf umweltbedingte Antezedenzien, persönliche Antezedenzien oder mediierende Prozesse zurückzuführen sein. Das Ziel dieser Studie war es, zu erklären, wie diese Faktoren Stress und Wohlbefinden bei Eltern autistischer Kinder vorhersagen können. Die Studie umfasste 37 Eltern von autistischen Kindern und 41 Eltern von neurotypischen Kindern. Unsere Ergebnisse haben gezeigt, dass Eltern von autistischen Kindern ein geringeres Wohlbefinden und höhere Stresswerte haben. Das ist auf die Wahrnehmungsweise der Eltern bezüglich der Schwierigkeiten ihrer Kinder zurückzuführen, auf ihre Bewertung, und zum Teil auch auf die Autismus-Diagnose ihrer Kinder. Künftige Interventionen sollten auf diese Faktoren abzielen.

Eltern autistischer Kinder haben im Vergleich zu Eltern neurotypischer Kinder ein höheres Risiko, Stress und psychische Probleme zu entwickeln. Frühere Studien haben wiederholt zeigen können, dass Eltern von autistischen Kindern mehr Stresssymptome und Depressionen aufweisen als Eltern von neurotypischen Kindern, sowie ein höheres Maß an Ängsten, psychischen Problemen und ein geringeres Wohlbefinden. Diese Folgen gelten jedoch nicht für alle Eltern autistischer Kinder. Bisher hat sich noch keine Forschung auf die Faktoren konzentriert, von denen bekannt ist, dass sie Stress vorhersagen oder die den Grund für Stress bei Eltern autistischer Kinder erklären können. In dieser Studie wollten wir herausfinden, warum einige Eltern autistischer Kinder Stress und ein geringeres Wohlbefinden erleben, während dies bei anderen Eltern nicht der Fall ist.

Man geht davon aus, dass Stress eine emotionale Reaktion auf eine wichtige Situation oder ein Ereignis ist, das als überwältigend empfunden wird. Das bedeutet, dass Stress das Ergebnis von Umweltaspekten, der persönlichen Aspekten und so genannten mediierenden Prozessen ist. Die Betrachtung von Stress als eine Kombination verschiedener Faktoren könnte die Unterschiede zwischen Stress und Wohlbefinden bei den Eltern erklären.

UMWELTBEDINGTE ANTEZEDENZIEN

Umweltbedingte Antezedenzien setzen sich aus vielen verschiedenen Faktoren zusammen, wie beispielsweise täglichen Schwierigkeiten, Lebensereignissen, Anforderungen oder verfügbaren Ressourcen. Einige der umweltbedingten Antezedenzien, die das Wohlbefinden der Eltern beeinflussen, können in direktem Zusammenhang mit den täglichen Herausforderungen stehen, die mit der Betreuung eines autistischen Kindes verbunden sind. Die Eltern müssen sich oft an eine neue Situation anpassen oder sich Herausforderungen stellen, was oft als isolierend beschrieben wird, oder mit dem Gefühl, dass sie sich ihren Weg erkämpfen müssen. Ein Mangel an Verständnis aus dem Umfeld für das Verhalten ihres Kindes kann die negativen Gefühle verstärken. Das Ausmaß an Negativität und die Verhaltensprobleme autistischer Kinder können ebenfalls ein beitragender Faktor sein. Im Vergleich zu neurotypischen Kindern sind Negativität und Verhaltensprobleme bei autistischen Kindern häufiger.

PERSÖNLICHE ANTEZEDENZIEN

Die persönlichen Antezedenzien beziehen sich auf die Glaubenssysteme einer Person, ihre Zielhierarchien oder ihre Attributionen. Sie können Stress beeinflussen, hängen damit zusammen, wie Menschen ihrer Situation einen Sinn geben, was sie ihr zuschreiben oder welchen Glaubenssystemen sie folgen. Dies sind Antezedenzien, mit denen Eltern von autistischen Kindern oft zu kämpfen scheinen. Bisherige Forschungen haben ergeben, dass Verhaltensprobleme autistischer Kinder in direktem Zusammenhang mit einem erhöhten Stressniveau der Eltern stehen. Jedoch ist die Wahrnehmung der emotionalen und Verhaltensprobleme ihrer Kinder durch die Eltern ein stärkerer Indikator für abnehmende psychische Gesundheit und Stress bei den Eltern als die Autismusdiagnose der Kinder. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass die wahrgenommenen Probleme eine zusätzliche Belastung für die Eltern darstellen. Oder es könnte daran liegen, dass die aufgetretenen Schwierigkeiten die Eltern dazu bringen, ihre Erziehungsfähigkeiten in Frage zu stellen.

MEDIIERENDE PROZESSE

Mediierende Prozesse beziehen sich auf Faktoren wie Bewältigungsmechanismen oder Bewertung, d. h. die Interpretation oder Beurteilung einer Situation oder Erfahrung. Spezifische Bewältigungs- und Bewertungsstile spielen eine große Rolle bei der Bestimmung der psychischen Gesundheit und des Stressniveaus der Eltern. Eskapismus, Vermeidung oder Verärgerung führen beispielsweise zu einer schlechteren psychischen Gesundheit, während Ablenkung, Problemlösung und insbesondere Reappraisal (Neubewertung der Situation) zu mehr Wohlbefinden führen. Bisherige Studien haben gezeigt, dass die Art und Weise, wie Eltern potenzielle Herausforderungen bewerten und ihre Emotionen regulieren, ihr allgemeines Wohlbefinden und ihren Stress positiv beeinflusst. Es ist jedoch noch unklar, ob Eltern autistischer Kinder die gleichen oder andere Strategien anwenden als Eltern neurotypischer Kinder. Während eine Studie ergab, dass sie mehr Selbstkontrolle anwenden, fanden andere heraus, dass Eltern weniger Strategien zur Erleichterung ihrer Emotionen einsetzen. Eine andere Studie, in der nur die Mütter verglichen wurden, ergab, dass Mütter autistischer Kinder mehr anstrengende Kontrollstrategien anwenden, wie z. B. das Stoppen impulsiven Verhaltens oder die Kontrolle der Aufmerksamkeit, als Mütter neurotypischer Kinder.

DIE STUDIE

Ziel unserer Studie war es, zu analysieren, wie verschiedene Faktoren im Zusammenhang mit Autismus miteinander interagieren und das Wohlbefinden und den Stress der Eltern beeinflussen, um zu verstehen, warum manche Eltern Stress empfinden und andere nicht. Wir glauben, dass das Wohlbefinden und der Stress der Eltern das Ergebnis der drei oben genannten Faktoren sind. Da nicht alle Eltern von autistischen Kindern eine Verschlechterung ihrer psychischen Gesundheit oder erhöhten Stress erleben, glauben wir, dass die Sicht der Eltern auf das Verhalten ihres Kindes und ihre Fähigkeit, die Situation neu zu bewerten, wichtigere Faktoren sein könnten als die Autismusdiagnose des Kindes.

An der Studie haben 37 Eltern von autistischen Kindern und 41 Eltern von neurotypischen Kindern teilgenommen. Die Eltern waren zwischen 26 und 53 Jahre alt, während die Kinder zwischen 3 und 13 Jahre alt waren.

ERGEBNISSE

Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass Eltern von autistischen Kindern über ein geringeres Wohlbefinden und mehr Stress berichten als Eltern von neurotypischen Kindern. Einer der ursächlichen Faktoren war eine höhere Negativität bei autistischen Kindern als bei neurotypischen Kindern. Gleichzeitig haben die Eltern von autistischen Kindern ihre Kinder als schwieriger empfunden als die Eltern neurotypischer Kinder. Außerdem gaben Eltern von autistischen Kindern an, weniger Reappraisal-Strategien zu verwenden als Eltern neurotypischer Kinder. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Wohlbefinden und der Stress der Eltern tatsächlich aus einer Kombination von umweltbedingten Antezedenzien, persönlichen Antezedenzien und mediierenden Prozessen resultieren. Wir fanden außerdem, dass die Autismus-Diagnose an sich nicht für eine Verschlechterung des Wohlbefindens der Eltern verantwortlich ist, sondern dass die Wahrnehmung der Schwierigkeiten des Kindes durch die Eltern und ihre Fähigkeit, Situationen neu zu bewerten, eine Rolle spielen. In Bezug auf den Stress der Eltern waren negative Emotionen und die Wahrnehmung der Eltern bezüglich der Eigenschaften ihrer Kinder gute Prädiktoren. Im Gegensatz zum Wohlbefinden hatte die Fähigkeit der Eltern zur Neubewertung jedoch keinen Einfluss auf ihr Stressniveau.

SCHLUSSFOLGERUNGEN

Aus unseren Ergebnissen können wir schließen, dass die Fähigkeit, schwierige Situationen neu zu bewerten, zu einem insgesamt besseren Wohlbefinden der Eltern führt. Das Stressniveau von Eltern autistischer Kinder entsteht wahrscheinlich aufgrund der Wahrnehmung der Eltern von der Negativität und der Verantwortung gegenüber ihres Kindes, sowie der Autismusdiagnose. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Wahrnehmung der Eltern und ihre Fähigkeit, gegebene Situationen neu zu bewerten, einen größeren Einfluss auf ihr Wohlbefinden und ihren Stress haben als die Autismusdiagnose allein. Dies stützt unsere Theorie, dass Stress durch umweltbedingte Antezedenzien (Autismusdiagnose des Kindes), persönliche Antezedenzien (Attributionen und Glaubenssysteme der Eltern) und mediierende Prozesse (die Fähigkeit der Eltern, herausfordernde Situationen neu zu bewerten) beeinflusst wird. Wir hoffen, mit unserer Studie dazu beizutragen, die Faktoren zu definieren, die für das Wohlbefinden und den Stress bei Eltern von autistischen Kindern verantwortlich sind, sowie deren Wechselwirkung untereinander und die unterschiedlichen Auswirkungen auf die verschiedenen Eltern. Dieses Wissen können wir für künftige Interventionen nutzen und gezielt auf die Attributionen und Glaubenssysteme der Eltern eingehen, sowie das Neubewerten schwieriger Situationen fördern. Die Stärkung der Strategien der Eltern könnte erheblich dazu beitragen, Stress zu verringern und ihr Wohlbefinden zu steigern.

KONTAKT

Für weitere Informationen über diese Studie, kontaktieren Sie uns unter autisme@uni.lu.